19-Zoll Technik: Was es mit dem Maß aller Dinge bei Gehäusen auf sich hat

Wir nehmen Sie mit auf einen kurzen Ausflug in das kleine Elektronikgehäuse-Einmaleins. In diesem Beitrag lernen Sie die Grundlagen der 19-Zoll-Technik kennen, was es mit den Abmessungen auf sich hat und wie Leiterplatten, Steckbaugruppen, Baugruppenträger und Racks miteinander zusammenhängen.

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Warum ist Zoll das Maß so vieler Dinge?

Einen Daumen breit oder ein Zwölftel eines Fußes, so lang ist ungefähr das, was man unter einem Zoll versteht. Das heißt knapp 2–3 cm. Ganz genau wurde erst 1959 festgelegt, wie lange denn nun ein Zoll ist. Heraus kam ein Maß von exakt 2,54 cm.

Nicht nur Jeansgrößen, sondern vor allem Displaygrößen, Lautsprecherdurchmesser, Elektronikgehäuse und diverse weitere elektronische Komponenten werden bis heute meistens in Zoll (engl. Inch) angegeben.

Gehäuse mit gegenüberliegenden Lüftungslöchern zur Entwärmung

Equipment aus der Veranstaltungsbranche – flexibel,  leicht austauschbar und gut verstaut

 

Aber nicht nur das, in vielen technischen Bereichen sind exakt 19 Zoll das Maß aller Dinge. Das ist nicht nur bei Serverschränken voller Elektronik der Fall, sondern beispielsweise auch in der Veranstaltungs-, Medizin-, Steuerungs- und Regeltechnik.

Für uns „Gehäuslesbauer“ Grund genug, die Basics der 19-Zoll-Technik ein bisschen genauer zu erläutern.

Was verbirgt sich hinter dem 19-Zoll Standard?

Bereits der Begriff „Standard“ lässt vermuten, dass Daumenmaße bei der 19-Zoll Technik schon längst ausgedient haben. Heutzutage regelt die Normenreihe IEC 60297 der International Electrotechnical Commission millimetergenau, wie ein 19-Zoll-System aus Leiterplatten, Baugruppenträger und Racks (Gestellen) aufgebaut werden sollte.

Das kleine Abmessungs-Einmaleins der 19-Zoll-Technik

Genau 482,6 mm und damit exakt 19 Zoll breit darf die Front des Baugruppenträgers inklusive der Befestigungsflanschen sein, damit sie die Anforderungen der 19-Zoll-Technik erfüllt. Dank dieser Standardgröße lassen sich problemlos Baugruppenträger mit den unterschiedlichsten Funktionen übereinander in einen 19-Zoll-Schrank verbauen.

Bei der 19-Zoll-Technik dreht sich daher zunächst vieles um die passenden Maße:

Mit Teilungseinheiten (TE) / Horizontal pitch (HP) wird angegeben, wie breit eine Baugruppenträgeröffnung ist. Eine Teilungseinheit ist dabei genau 5,08 mm lang.

Eine Höheneinheit (HE) / Unit (U) ist dagegen exakt 44,45 mm hoch. Die Höhe eines Baugruppenträgers wird in Vielfachen der Höheneinheit gemessen.

Selbst für Elektronikneulinge ist mit diesem Wissen das Lesen der Produkttabellen von 19-Zoll-Gehäusen kein Problem mehr.

Die Ebenen des 19-Zoll-Aufbausystems

Der Aufbau eines solchen 19-Zoll-Systems folgt dabei einem simplen Baukastenprinzip. Die erste Ebene bilden die Leiterplatten, die zweite Ebene die Baugruppen, die dritte Ebene die Baugruppenträger und in der vierte Ebene finden alle vorherigen Komponenten ihren Platz im Schaltschrank oder wie in unserem Fall in einem schicken Tischgehäuse.

Aufbau eines 19-Zoll-Systems aus Leiterplatte, Baugruppe, Baugruppenträger und Tischgehäuse

Aufbau eines 19-Zoll-Systems (Bild: merath metallsysteme GmbH)

 

Ebene 1: Elektronische Bauelemente auf Leiterplatten (Leiterkarte, Platine)

Für jedes elektronische Gerät sind sie das unverzichtbare Herzstück – die Leiterplatte oder je nach Anwendung auch gleich mehrere davon. Auf ihnen werden die einzelnen elektronischen Bauteile befestigt und mit Leiterbahnen aus zumeist einer dünnen Kupferschicht verbunden. So können nun die elektrischen Signale, die beim Anklicken eines Bedienfeldes oder Umlegen eines Bedienknopfes entstehen, weitere Aktionen auslösen.

Leiterplatte mit elektronischen Bauteilen

Es ist einiges los auf der Platine (Hintergrund Foto erstellt von xb100 – de.freepik.com)

 

Seit den 70er-Jahren finden häufig Platinen im Europakartenformat ihren Platz in allen möglichen Anwendungen. Die Einschubgrößen bei 19-Zoll-Racks oder anderen Gehäusen sind daher standardmäßig oft auf Europa- oder Doppeleuropa-Karten ausgelegt.

Mit der Größe Europas von knapp 10,5 km² können es die Abmessungen der Europakarte selbstverständlich nicht aufnehmen. Zumindest die beiden Anfangsziffern sind dieselben (Vielleicht können Sie auf die Eselsbrücke mal noch zurückgreifen, falls sie als Telefonjoker in einer bekannten Fernsehsendung eingesetzt werden 😉).

Europakarte (3 HE): 100 mm × 160 mm, an der Schmalseite kontaktiert

Doppeltes Europakarten-Format (6 HE): 233,35 mm × 160 mm, an der Breitseite kontaktiert

Und ist Ihnen bei den Maßen etwas aufgefallen?

Sie haben bestimmt gemerkt, dass einer Europakarte im 3HE-Format 33,5 mm zur rechnerischen Höhe von 3HE (3 * 44,45 mm = 133,35 mm) fehlen. Hierbei handelt es sich nicht um einen Fall von „Mut zur Lücke“ im 19-Zoll-Gehäuse, sondern sichert ausreichend Einbauplatz, sodass die Karte inklusive Einschub mit Verriegelungshebeln ganz genau in die Führungsschienen eines Baugruppenträgers der Größe 3 HE passt.

Die weiteren möglichen Kartenhöhen ergeben sich folglich immer aus der Grundhöhe von 100 mm und weiteren n Höheneinheiten. So ist eine Doppel-Europakarte mit 233,5 mm Höhe 100 mm Grundhöhe und 3 weitere Höheneinheiten hoch. Die doppelte Europakarte ist damit mehr als doppelt so groß.

Ebene 2: Baugruppen

Nach so viel Maßen schauen wir uns doch mal den Einbau der Leiterplatten genauer an.

Erhält eine Leiterplatte eine passende Frontplatte und Steckverbinder, spricht man von einer Steckbaugruppe. Gerade in elektronischen Anwendungen, die eine komplexere elektronische Schaltung benötigen, finden meist mehrere Leiterplatten und folglich Steckbaugruppen ihren Platz.

Eine weitere Variante zum Einbau von Leiterplatten ist die Verwendung von Metallkassetten. Diese lassen sich wie eine Steckbaugruppe in einen Baugruppenträger einstecken und nehmen eine oder mehrere steckbare Leiterplatten in ihrem Inneren auf.

Allerdings kommt es selbstverständlich auch bei diesen Komponenten eines 19-Zoll-Systems auf die richtigen Maße an. Die Frontplatten der Kassetten und Steckbaugruppen orientieren sich in ihrer Größe ebenfalls an den bereits definierten Teilungseinheiten. Soll die Baugruppe nun in einen 4TE großen Bauraum passen, ist die Frontplatte etwas kleiner als der 4 x TE (= 20,32 mm) große Einbauraum.

Ebene 3: Baugruppenträger

Bei der dritten Ebene eines 19-Zoll-Systems gibt bereits die Bezeichnung Baugruppenträger (häufig mit BGT abgekürzt) den entscheidenden Hinweis auf die zu erfüllende Funktion.

Die einzelnen Steckbaugruppen und Kassetten finden in offenen Metallgehäusen ihren festen Platz. Für einen sicheren Halt sorgen die angebrachten Führungsschienen. Alle Steckerkontakte und Verbindungen der Baugruppen untereinander werden von der Backplane (Rückwandbus) aufgenommen.

Baugruppenträger mit Lüfterschublade und Platz für Steckbaugruppen

Im Baugruppenträger mit Lüfterschublade fehlen nur noch die Steckbaugruppen

 

Auch beim Baugruppenträger kommt es bei der Größe auf Millimeter an. Er ist, damit der 19-Zoll-Standard erfüllt ist, inklusive seiner Montagemöglichkeiten exakt 482,6 mm und damit 19 Zoll breit und bietet einen 426,72 mm großen Einbauraum für maximal 84 einzelne 5,08 mm breite Baugruppen. Die Höhe des Baugruppenträgers wird passend zur Höhe der Steckbaugruppen gewählt.

Und so ein Baugruppenträger kann noch einiges mehr als nur Baugruppen aufzunehmen. Richtig bestückt sorgt er auch gleich für die Abschirmung von Störstrahlungen und somit für die reibungslose Funktion der Elektronik. Wie das Ganze genau funktioniert, lässt sich in unserem Beitrag zur EMV-Abschirmung ganz leicht nachlesen.

Nicht nur Steckbaugruppen finden ihren Platz. Ergänzt um eine Lüfterschublade sorgt der Baugruppenträger für den nötigen Durchzug bei der Elektronik.

Ebene 4: 19-Zoll-Schrank

Dabei handelt es sich um nichts anders, als um ein Gestell, genau passend um verschiedene Elektrogeräte (Einschübe) mit einer Breite von 19-Zoll zu montieren. Die Höhe eines solchen 19-Zoll-Schrankes lässt sich in Vielfachen der Höheneinheit angeben und liegt üblicherweise im Bereich von 12 – 47 HE.

Schaltschrank mit diversen 19-Zoll-Einschüben

In diesem Schaltschrank finden so einige Einschübe ihren Platz

Baukastenprinzip sorgt für (fast) grenzenlose Kompatibilität

Die millimetergenaue Festlegung aller Einbaugrößen zahlt sich aus, denn der große Clou der 19-Zoll Technik liegt in der Kompatibilität der einzelnen Systemkomponenten.

Komponenten der einen Ebene sind zu denen der anderen Ebene kompatibel, ganz gleich von welchem Hersteller sie bezogen werden. Das bedeutet, eine Kassette mit Leiterplatten des Herstellers A passt in den Baugruppenträger des Herstellers B. Allerdings gibt es trotz aller Kompatibilität auch eine Ausnahme: Innerhalb der Ebene sind Komponenten wie beispielsweise Seitewände nicht so leicht herstellerübergreifend austauschbar.

19-Zoll  – das Maß so vieler Dinge

Nach diesem Einblick in die Grundlagen der 19-Zoll-Technik werden selbst Elektronikneulinge den nächsten Serverschrank oder was ihnen auch in 19-Zoll-Größe begegnen mag ganz genau inspizieren.

Sind Sie auf der Suche nach einem Hersteller von 19-Zoll-Gehäusen für Ihre Anwendung oder benötigen Sie die passende Frontplatte für Ihr 19-Zoll-System, dann rufen Sie uns einfach Sie uns einfach unter +49-7151-95930-0 an oder schreiben Sie uns eine E-Mail an vertrieb@merath.com.

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Cover des E-Books "Kosten und Design von Gehäusen optimieren" mit dem Bild eines Metallgehäuses auf der Vorderseite.

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About the Author: Jana
Jana liebt es, die Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. In ihren Beiträgen geht sie daher nicht nur allerlei Fragen rund um die Metallverarbeitung nach, sondern ist auch stets auf der Suche nach dem passenden Bild, um auch die unscheinbaren aber wichtigen Dinge ins Rampenlicht zu rücken. Mit ihrer jahrelangen Erfahrung in Wissenschaft und Industrie erklärt sie komplexe Sachverhalte leicht verständlich.
Von Published On: Juli 8th, 2021Kategorien: WissenSchlagwörter: ,