Sollen Bauteile schnell und sicher miteinander verbunden werden, scheint das auf den ersten Blick eine mit Mutter und Schraube leicht zu lösende Aufgabe zu sein. So kommt zusammen, was zusammengehört oder zumindest zusammengehören sollte, damit am Ende ein schickes Metallgehäuse oder ein anderes Produkt auf dem Tisch steht.
Allerdings stehen auch diese Verbindungen vor so manchen Herausforderungen. Schließlich gilt es, abgerissene oder ausgerissene Gewinde zu vermeiden, dünnwandige Bleche zu verbinden oder ein präzises Nachschneiden der Gewinde nach der Oberflächenbehandlungen sicherzustellen.
Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe unterschiedliche Verfahren, um Gewinde für eine Schraubverbindung in Bleche zu bekommen. Da sich die Verfahren für ganz unterschiedliche Anwendungsfälle eignen lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die gängigen Verfahren zu werfen. So werden Ihre Verbindungen kostenoptimal und stabil.
Mit diesen Verfahren kommen Gewinde ins Blech (klicken, um direkt zum Abschnitt zu springen):
1. Gewinde formen auf der Stanzmaschine
In nur einem Arbeitsgang und ganz ohne lästige Späne entstehen Gewinde im Blech auf unseren Trumpf Stanz- und Stanz-Laser-Maschinen.
Mit dem ein oder anderen Kniff gelingt das übrigens auch bei superdünnen Blechen. Wie das genau funktioniert, erzählt Ihnen Christian in einem kurzen Video.
Nochmal ganz langsam: Gewinde entstehen auf der Stanzmaschine indem zuerst ein Loch vorgestanzt und dann je nach Blechstärke ein Gewindedurchzug eingebracht wird. So entstehen auch in dünnen Blechen längere und damit ganz schön tragfähige Normgewinde.
Der Kniff ist, dass wir auf unseren Stanzmaschinen gleich noch eine Senkung mit einbringen können. So lässt sich die Schraube sauber vollständig hereindrehen und steht nicht über!

Rangezoomt: Bei dünnen Blechen sorgt ein Durchzug für genug Raum für das Gewinde
Ein Durchzug ist bei stärkeren Blechen nicht notwendig und der Gewindeformer kann dann direkt in das vorgestanzte Loch gedreht werden. Bei diesem Vorgang wird das Material durch die rotierende Bewegung des Werkzeugkopfes in die Lücken der Werkzeugform gedrängt. Diese geben exakt die Gewindekontur vor. Das Gewinde wird also nicht in das Blech geschnitten, sondern per Umformung eingebracht. Das ist übrigens auch der Grund, warum bei diesem Verfahren keine Späne entstehen!
Das passiert, wenn Gewinde ins Blech geformt werden:

Das Werkstück (rot) wird in die Werkzeugform (grau) gedrückt. So entsteht im Werkstück-Material ein Gewinde.
Genau diese Umformung und Verdrängung des Werkstück-Materials führt dazu, dass sich die Oberfläche des Materials verfestigt (Kaltverfestigung). Das Gewinde erhält so seine besonders hohe Belastbarkeit.
Die kleine Schließfalte an der Gewindespitze ist übrigens ein Zeichen dafür, dass ein Gewinde perfekt in das Blech geformt wurde. Der Funktion schadet diese Gewindelücke nicht.
Werfen wir doch mal einen Blick durchs Mikroskop. So wird deutlich, was ins Blech geformte Gewinde von geschnittenen Gewinden unterscheidet:

Faserverlauf beim Gewindeschneiden (links), Faserverlauf beim Gewindeformen (rechts)
Im Gegensatz zum Gewindeschneiden werden die einzelnen Materialfasern beim Gewindeformen nicht durchschnitten. Dadurch hat das geformte Gewinde vor allem an den Flanken nachweislich eine höhere statische und dynamische Festigkeit.
Welche Bearbeitungsschritte sind vor dem Formen des Gewindes in das Blech notwendig?
Für unsere Trumpf-Stanzmaschinen gibt es eine kleine Entscheidungshilfe, aus der wir in Abhängigkeit von der Blechstärke und dem Anspruch an die Festigkeitsklasse ablesen, ob Durchbrüche oder Vorstanzen notwendig sind.
Da dafür auch entscheidend ist, welcher Festigkeitsklasse das Gewinde entsprechen soll, gibt es vorab einen kleinen Exkurs in die Schrauben- und Muttern-Kunde.
So, nun wissen Sie, was sich hinter der Spalte „Festigkeitsklasse“ verbirgt und sind bestens vorbereitet, um sich in den Entscheidungshilfen zurechtzufinden. Je nach Gewindedurchmesser, Mutternhöhe, Festigkeitsklasse und Materialdicke wird das Gewinde entweder mit Durchzug, direkt in das Blech oder mit Vorstanzen eingebracht. Die Praktische Tabelle liefert auf einen Blick das richtige Vorgehen für verschiedene Konstellationen.

Entscheidungshilfen für geformte Gewinde
(in Anlehnung an: Trumpf (2013): Technische Information Gewindeformen)
Gewinde ins Blech zu formen bringt einige Vorzüge mit sich, die sich der folgenden Liste entnehmen lassen:
Vorteile Gewinde ins Blech formen
Geringere Durchlaufzeiten, da eine Komplettbearbeitung auf der Stanzmaschine möglich ist
Hohe Oberflächenqualität, da durch Vorgang des Verformens presspoliert
Kostengünstig aufgrund der Reduzierung der Durchlaufzeiten und des geringeren Bedarfs an Lagerflächen für Zwischenprodukte
Keine lästigen Späne, die vor der Weiterverarbeitung entfernt werden müssen
Hohe Passgenauigkeit des Gewindes
Hervorragende statische und dynamische Gewindefestigkeit
Ein paar Nachteile gibt es natürlich dennoch. Einer resultiert gerade aus der hervorragenden Festigkeit der Gewinde. Im Vergleich zu den geschnittenen Gewinden erweist sich das Nacharbeiten als deutlich problematischer.
Nachteile Gewinde ins Blech formen
Nachschneiden der Gewinde nicht möglich
Umformen auf der Stanzmaschine ist nicht für alle Werkstoffe anwendbar
Mindestabstand von 22 mm zwischen zwei Gewindedüsen notwendig, damit beim Prägen der zweiten Gewindedüse die erste nicht wieder platt gedrückt wird
2. Gewinde einpressen
Das Einbringen von Gewinden mit Einpressbefestigern macht sich ebenfalls das Prinzip der Kaltverformung zunutze. Im Gegensatz zum Gewindeformen auf der Stanzmaschine wird hier allerdings ein vorgefertigtes Einpressgewinde in ein Aufnahmeloch eingesetzt.
Für einen sicheren Sitz des Gewindes sorgen Verzahnungen am Einpressbefestiger, die auch nach dem Prinzip der Kaltverformung durch Druck beim Einpressen mit dem Blech „verschmelzen“. Das Blech wird dabei in die Aussparungen gedrückt und reduziert so die Gefahr des Verdrehens und Ausreißens des Gewindes.
Was beim Einpressen von Einpressbefestigern ins Blech genau passiert und wie das Ganze im Fall von Einpressmuttern aussieht, lässt sich auf unserer Seite zur Fertigungstechnologie Einpressen im Video anschauen und genau nachlesen.

So sehen eingepresste Gewinde nach einer anschließenden Pulverbeschichtung aus
Auch das Einbringen von Gewinde mit Einpressbefestigern ins Blech hat einige Vorzüge, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten:
Vorteile Gewinde einpressen
Präzise Positionierung und perfekte Rechtwinkligkeit der Gewinde
Hohe Gewindefestigkeit durch Kaltverfestigung
Keine lästigen Späne
Große Auswahl an unterschiedlichen Einpressbefestigern
Einpressen geht bei allen Oberflächenbeschichtungen
Einpressen ist auch in Edelstahl möglich
Gerade bei geringen Stückzahlen lohnt es sich nicht, das passende Gewindewerkzeug anzuschaffen, sofern es nicht schon im Werkzeugpool vorhanden ist. Einpressbefestiger sind dann eine echte Alternative. Welche Gewindewerkzeuge wir bereits in unserer Fertigung nutzen, erfahren Sie übrigens in unserem Infoportal.
Nachteile Gewinde einpressen
Vergleichsweise teuer
Zum Einpressen ist ein Zugang von beiden Seiten notwendig (Ober- und Unterwerkzeug)
Mindestabstand zur Außenkante muss eingehalten werden
Nicht alle möglichen Einpresselemente können in Edelstahl eingesetzt werden
Materialverdrängung durch Einpressteile kann Loch in unmittelbarer Nähe verformen
3. Gewinde nieten
Gewinde lassen sich nicht nur einpressen. In Bauteile, bei denen Abkantungen oder Hohlkörper nur einen einseitigen Zugang ermöglichen, lassen sich Gewinde auch in das Blech nieten.
Dazu wird eine Nietmutter auf den Gewindedorn einer Handzange oder einer Nietpistole gesetzt und in ein um 0,1 mm größeres Loch eingebracht. Beim Setzen der Nietmutter verformt sich durch den Zug des Gewindeaufsatzes der Schaft der Nietmutter, so dass sie im Bauteil fixiert wird. Es entsteht der sogenannte Schließkopf.
Damit die Nietmutter auch wirklich fest im Blech sitzt, ist es wichtig, diese nicht mit zu geringem oder zu großem Hub zu setzen, um das richtige Verklemmen zu gewährleisten bzw. zu verhindern, dass die Nietmutter im Blech ausreißt.

Blindnietmuttern gibt es in verschiedenen Größen und Formen. Die Variante links hat einen Hexagonschaft, die anderen beiden einen Rändelschaft. Beides sorgt für Sicherheit gegen Verdrehen.
Vorteile Gewinde nieten
Einseitiges Einbringen möglich, daher für schwer zugängliches System einsetzbar
Belastbare Gewinde auch in dünnwandigen Blechen
In Hohlprofilen (bspw. runden Rohren) einbringbar
Für Verdrehsichheit sorgen Nietmuttern mit Rändel- oder Sechskantschaft
Verschiedene Werkstoffe können verbunden werden
Geschlossener Schaft bei Blindnietmuttern sorgt für hohen IP-Schutz
Nachteile Gewinde nieten
Falsche Hubeinstellung führt zum Abreißen oder verhindert sichere Verklemmung
Geringeres Portfolio an Niet-Elementen im Vergleich zur Einpresstechnik
Kein automatisiertes Verfahren
Genietete Gewinde weisen größere Dimensionen auf als vergleichbare Einpressbefestiger
4. Gewinde schweißen
Einpressen und Nieten sind zwei Möglichkeiten, um Gewinde im Blech zu befestigen. Eine weitere Option ist es, die Mutter mit dem Gewinde einfach über einem Bohrloch festzuschweißen.
Mit ein paar Schweißpunkten lassen sich gängige Sechskantmuttern mit einem Bauteil verbinden. Daneben gibt es auch spezielle Anschweißmuttern. Diese haben mehrere spitze Schweißpunkte – sogenannte Schweißwarzen – sowie einen Zentrieransatz auf der Kontaktseite zum Bauteil und machen es dem Schweißer oder der Schweißerin besonders einfach.
Wird Strom durch das Bauteil und die Mutter geleitet, schmelzen diese Erhöhungen (siehe Widerstandsschweißen/Buckelschweißen) und erzeugen so die Verbindung zwischen Mutter und Blechteil.

Angeschweißte Gewinde
Vorteile Gewinde schweißen
Unlösbare Verbindung
Stabile Gewinde in dünnen Blechen
Besonders geeignet für schwer zugängliche Stellen
Nachteile Gewinde schweißen
Teurer im Vergleich zum automatisierten Einbringen von Gewinden auf der Stanzmaschine
Schweißgewinde können nicht bei allen Oberflächenveredelungen verwendet werden
Weniger geeignet für große Serien aufgrund der höheren Kosten und geringeren Prozesssicherheit
Wärmebedingter Verzug des Blechs bei dichter Bestückung einer Blechtafel mit Schweißmuttern
Korrosionsbehandlung nach Aufschweißen meist notwendig
5. Gewinde (manuell) schneiden
Eine weitere Möglichkeit, Gewinde in das Blech einzubringen, ist es, sie mit einem Gewindebohrer direkt in eine vorhandene Bohrung im Bauteil zu schneiden. So hat vielleicht auch schon so mancher Hobbyhandwerker zu Hause bereits selbst für ein benötigtes Gewinde gesorgt.
Mit einem Schneidewerkzeug, dem Gewindebohrer, werden dabei mit kreisförmigen Bewegungen und dank Vorschubkraft die einzelnen Gewindegänge ins Material geschnitten.
Hierbei entstehen allerdings die lästigen Späne, die wir ja schon bei den spanlosen Verfahren erwähnt haben. Doch was ist eigentlich genau das Problem mit den Spänen?
Beim Gewindeschneiden können sogenannte Wickelspäne entstehen, die den Schneidkopf blockieren oder für einen Spänestau sorgen. In beiden Fällen steht die Fertigung still, bis die lästigen Späne entfernt werden. Doch das ist nicht alles: Späne sind besonders in Gehäusen für Elektronik lästig. An der falschen Stelle sorgen Sie im schlimmsten Fall für einen Kurzschluss und den Ausfall des Gerätes.
Vorteile Gewinde schneiden
Gewinde können sehr flexibel geschnitten werden
Geeignet für kleine Serien, wenn sich die Anschaffung von Serienwerkzeugen nicht lohnt
Möglich bei vielen Werkstoffen (bspw. Nichtblechteile)
Ein geschnittenes Gewinde kann jederzeit nachgeschnitten werden
Nachteile Gewinde schneiden
Teurer im Vergleich zum automatisierten Einbringen von Gewinden auf der Stanzmaschine
Prozesssicherheit ist geringer, unter anderem aufgrund der Gefahr von Spänen
Gerade bei tieferen Gewinden Probleme mit der Spanabfuhr möglich
6. Gewinde fräsen
Gewinde lassen sich auch mit Fräsen ins Gewinde einbringen. Allerdings werden dafür Werkzeugmaschinen benötigt, die gleichzeitig X-, Y- und Z-Achse steuern können. X- und Y-Achse bestimmen beim Fräsen den Gewindedurchmesser, während die Z-Achse die Steigung des Gewindes steuert.

Ein knapp 2 cm tiefes, gefrästes Gewinde
Vorteile Gewinde fräsen
Hohe Schnittgeschwindigkeit und Vorschub
Beinahe in allen Werkstoffen möglich
Unterbrochener Schnitt, sodass kleinere Späne anfallen
Ein geschnittenes Gewinde kann jederzeit nachgeschnitten werden
Nachteile Gewinde fräsen
Gewinde lassen sich nur an Stellen einbringen, die für den Fräskopf zugänglich sind
Geringere Tragkraft (fehlende Kaltverfestigung), daher Normtiefen der Gewinde beachten; längeres Gewinde notwendig
Gewinde formen leicht gemacht
Nach diesem kleinen Ausflug in die Gehäusekonstruktion stehen zwei Dinge fest:
1. Viele Wege führen zur Schraubverbindung zwischen zwei Teilen und
2. Keines der Verfahren ist eine perfekte Universallösung. Alle Möglichkeiten zum Einbringen von Gewinden haben ihre eigenen Vor- und Nachteile und ihren spezifischen Anwendungsbereich.
Wir prüfen daher für jedes Kundenprojekt genau, wie wir vorgehen, um stabile Verbindungen besonders kostengünstig umzusetzen. Melden Sie sich doch mal bei uns, wir besprechen die Möglichkeiten für Ihr Projekt gerne mit Ihnen. Rufen Sie uns einfach an (07151 959 30 0) an oder schreiben Sie uns eine Mail (konstruktion@merath.com).